Vor dem Nähen eines Korsetts hatte ich immer großen Respekt. Die Passform, um den Körper möglichst bequem in die gewünschte Form zu bringen, und die oft unzähligen Tunnel für die Stäbchen, die diese Passform möglichst optimal unterstützen sollen, schienen mir immer eine hochgradig komplexe Angelegenheit zu sein. Allein die Frage, welche Stäbchen man denn nun verwenden soll, war schon schwer zu beantworten: Federstahl? Kunststoff?
Mit meiner Schnürbrust habe ich mich zum ersten Mal an so ein Projekt gewagt und damit gleich mal eines der aufwändigeren Modelle gewählt. Was zugegebenermaßen typisch für mich ist. Ich habe dafür unzählige Tunnel genäht und nach und nach herausgefunden wie man die 7mm breiten Federstahlstäbchen ablängt.
Dass ich dieses erste Korsett damals im Stil des 18. Jahrhunderts genäht habe, hatte zur Folge, dass es am Ende aufgrund seiner tief sitzenden Taille mit den Kleidern Ariannas, deren Passform an meine natürliche Figur angepasst ist, nicht zusammenpasste. Was jetzt so absolut logisch klingt, hatte ich damals als Nähanfänger so überhaupt nicht auf dem Schirm. Da ich nicht bereit war alle Kleider nachträglich an das Korsett anzupassen, habe ich sie erstmal lange ohne getragen. Aber Jahre später habe ich dann doch angefangen nach einen passenderen Schnitt zu suchen.
So bin ich auf die Schnittmuster von “Truly Victorian” gestoßen, die zu allen möglichen Kleidungsstücken des 19. Jahrhunderts Schnitte herausgeben. Da in diesem Jahrhundert die Taille wieder auf eine natürlichere Höhe gewandert ist, sind die damaligen Korsetts wesentlich besser dafür geeignet unter Ariannas Kleidern getragen zu werden.
Eigentlich nur ein Probestück
Mit der Zeit kennt man ja die Maßtabellen der einschlägigen Marken und kann grob einschätzen, was passen wird und was nicht. Da ich es hier aber mit einem mir völlig unbekannten Hersteller zu tun hatte, wollte ich die Passform erst einmal mit einem günstigen Stoff testen, bevor ich einen wertvolleren verwende und das Korsett am Ende hinten und vorne nicht sitzt.
Nur testen, ohne Stäbchen; nur um mal die Form abzuschätzen… das war der Plan. Letztlich ist das Ganze wieder ein bisschen ausgeartet, denn selbstverständlich habe ich es nicht lassen können, das Korsett dann doch fertig zu machen: mit einem dunkelroten Baumwollstoff als Oberstoff, einem Naturfarben als Futter und Stäbchen aus Federstahl.
Die Passform war und ist super und das Korsett passt, wie ich auf dem letzten Broken Crown festgestellt habe, auch wunderbar unter meine Kleider. Selbst die Bedenken, dass die Frontschnürung sich abzeichnen könnte, waren absolut unbegründet. Für meinen Geschmack ist es nur ein klein wenig zu lang geworden.
Da sich hier die Gelegenheit bot und der kleine Test ja noch nicht aufwändig genug war, habe ich mich noch schnell an ein paar Korsett-Zierstichen versucht und dabei einen Teil der Reste des grauen Stickgarns, das ich noch von Ariannas Woll-Cape übrig hatte, verarbeitet.
Letztlich ist das Nähen eines Korsetts, nicht anders als andere Nähprojekte, eben so kompliziert wie man sie sich macht. Es gibt unendlich viele Formen und Materialien, für die man sich entscheiden kann und ob man nun eine recht einfache Version wählt, wie ich es hier getan habe, oder sich auf eine fast vollverstärkte Variante stürzt, wie ich es bei meiner Schnürbrust getan habe, bleibt jedem selbst überlassen.
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