Das Jahr 2020 hat bereits richtig gut angefangen. Kaum ist ein Monat vorbei, ist auch schon das erste Teilprojekt für meinen neunen Larp-Charakter Emilia fertig: ihre Schnürbrust.
Der Schnitt
Die Schnürbrust ist der Grundstein meiner neuen Larp-Gewandung für Emilia. Sie gibt die Form vor, an die ich später die Oberbekleidung anpasse. Deshalb war es besonders wichtig den richtigen Schnitt zu finden.
Bei meiner Recherche habe ich mir historische Originale aus der Mitte des 18. Jahrhunderts angesehen und deren Formen und Schnitte mit den Schnittmustern verglichen, die man heute zu kaufen bekommt.
In die engere Auswahl kamen Reconstructing History Nr 833 und Butterick B4254. Letzteren hatte ich noch von meiner alten Schnürbrust zuhause.

Der Schnitt von Reconstructing History ermöglicht es einzelne Schnittteile zu unterschiedlichen Variationen zusammenzusetzen. An sich ist das eine tolle Sache, aber nachdem ich den Schnitt auf mein Schnittpapier übertragen und mir genauer angesehen habe, hatte ich den Eindruck, dass die Einzelteile – wahrscheinlich weil sie so flexibel einsetzbar sind – nicht exakt zusammenstimmen. Da ich aber derzeit mit sehr knapp bemessener Zeit zurechtkommen muss, war mir das Risiko Stunden und Tage zu verlieren, weil ich den Schnitt anpassen muss, einfach zu groß.
Deshalb habe ich mich am Ende für meinen alten Schnitt entschieden. Da ich ihn schon einmal verwendet hatte, kannte ich die Problemstellen bereits, konnte auf ein Mock-up verzichten und sie gezielt abändern.

Beim ersten Mal war die Passform nicht optimal, einzelne Stäbe befanden sich an ungünstigen Positionen und drückten, im Rücken und an der Front war die Schnürbrust zu hoch, wodurch sie nicht unter meine Kleider passte, ohne zu sehen zu sein.
Deshalb habe ich beim Schnitt für diese Schnürbrust Rücken und Front tiefer ausgeschnitten, die Träger wurden ebenfalls schmäler und das Rücken- und Seitenteil habe ich so angepasst, dass die Schnürbrust nun so sitzt, dass sie sich im Rücken mit durchgehend gleichmäßiger Lücke schnüren lässt.
Die Stäbchen
Eine weitere Frage, über die ich mir jedes Mal bei solchen Projekten den Kopf zerbreche ist: Welche Stäbchen soll ich verwenden?
Für mich kommen immer zwei Optionen in Frage: Kunststoff oder Federstahl. Bei allen meinen bisherigen Korsetts wie auch bei meiner Schnürbrust habe ich Stahl verwendet. Um Kunststoff habe ich immer einen Bogen gemacht, da er dazu neigt seine Form zu verlieren und sich entlang der Form des Körpers zu verbiegen.

Im 18. Jahrhundert verwendete man gerne Fischbein, ein Material aus den Barten von Walen. Es ist heute selbstverständlich nicht mehr erhältlich, deshalb muss man auf die Suche nach Alternativen gehen, die ihm möglichst nahe kommen.
Die besten Quellen dafür sind natürlich andere Kostümenthusiasten. Dort bin ich immer wieder auf dieselbe Meinung gestoßen: Kunststoff sei das, was Fischbein am nächsten kommt und zwar eben weil es sich verbiegt und an den Körper anpasst.
Zugegeben habe ich die Kunststoffstäbchen immer zur Verstärkung von Miedern, Gürteln oder nicht wirklich eng sitzenden Oberteilen verwendet, daher bleibt die Hoffnung, dass sich das Material bei einer Schnürbrust anders verhält. Es ist also ein kleines Experiment.
Die Stoffe
Die Stoffauswahl war sehr unspektakulär und schnell erledigt, denn ich habe das verwendet, was ich bereits auf Lager hatte. Die innerste Lage besteht aus einem festen Baumwollstoff, den ich immer für Korsett-Projekte vorrätig habe. Für den Oberstoff habe ich den fliederfarbenen Baumwoll-Futterstoff ausgewählt, den ich als Futter für den Mantel meiner Elfe benutzt habe und von dem ich einfach viel zu viel hier habe. Zur Verstärkung habe ich ihn außerdem noch mit einer Lage Ikea-Bomull hinterlegt, damit er nicht zu schnell von den Stäbchen in Mitleidenschaft gezogen wird.

Das Nähen
Das Zusammennähen der einzelnen Teile ist erstmal ganz simpel. Richtig aufwändig wird es erst dann, wenn man sich an das Nähen der Tunnel für die Stäbchen macht. Ich habe einige auf Basis meiner alten Schnürbrust abgeändert, nicht nur wegen der Passform, sondern auch, weil ich dieses Mal etwas schmalere Stäbchen verwendet habe als beim letzten Mal.
Weil ich eine unverbesserliche Perfektionistin bin, habe ich dann noch jede einzelne Nahtlinie mit Heftfaden geheftet. An der Nähmaschine war ich dann sehr froh über diesen Schritt, denn so war es nicht mehr besonders schwer gerade Linien zu erhalten.

Sobald die Tunnel fertig genäht waren, habe ich die Stäbchen eingezogen. Da sie aufgewickelt gelagert werden, haben sie abgeschnitten eine gebogene Form. Um sie gerade zu bekommen, habe ich jedes zwischen zwei Stoffreste gelegt und gebügelt.
Sobald alle Stäbchen an Ort und Stelle waren, habe ich die Tunnel mit der Nähmaschine verschlossen.
Als Abschluss für die noch offenen Kanten habe ich ein einfaches Baumwollschrägband verwendet, dass ich – weil ich wie gesagt eine Perfektionistin bin – komplett von Hand festgenäht habe. Von Hand genäht, lässt es sich nämlich schöner in die vielen Biegungen, Ecken und Kanten legen. Und für die Arbeit mit der Nähmaschine erschwerend kommen auch immer noch die Stäbchen dazu, die einem irgendwie immer im weg sind.
Die Schnürlöcher habe ich ebenfalls und nach historischem Vorbild von Hand genäht und nicht die bekannten Metallösen verwendet. Besonders hilfreich war dabei eine Ahle, mit der ich die Löcher erstmal stechen und weiten konnte ohne, dass die Fäden dass Stoffes gerissen wären.
Der Fäden mit dem sie eingefasst sind besteht aus jeweils sechs üblichen Polyesterfäden. Ich habe mich im letzten Moment gegen ein Baumwollstickgarn entschieden und stattdessen mein eigenes Polyesterstickgarn gebastelt. Ich hatte einfach das Gefühl, dass das Nähgarn das ständige scheuern der Schnürung besser mitmachen würde. Ob ich mit dieser Einschätzung richtig liege wird der Langzeittest zeigen.
Nach einer gefühlten Ewigkeit ist meine Schnürbrust dann fertig geworden. Ich spiele noch mit dem Gedanken ihr ein paar Stickereien zu verpassen, nicht nur aus dekorativen Zwecken, sondern auch um einige Punkte zu verstärken, an denen Stäbchen den Stoff strapazieren könnten. Solche Detailarbeiten stelle ich aber gerade hintenan. Denn die kann ich noch angehen sobald ich eine tragbare Oberbekleidung habe, und nicht mehr Gefahr laufe lediglich in aufwändiger, historischer Unterwäsche auf einer Con herumzulaufen zu müssen.

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